Naturnahe Waldwirtschaft stärkt den Wald und seine Bewohner

Holz zu produzieren ist eine wichtige Funktion des Waldes. Die Hälfte der Schweizer Wälder spielt aber auch eine wesentliche Rolle beim Schutz vor Naturgefahren. Damit wir langfristig von Holzvorräten, Schutz oder sauberem Wasser profitieren können und sich auch die Waldbewohner wohlfühlen, ist eine naturnahe und nachhaltige Waldbewirtschaftung entscheidend.

Schon vor 150 Jahren wurde in der Schweiz das Forstgesetz erlassen, mit dem die Erhaltung der Waldflächen gesichert wurde. Dieses Gesetz bildete die Basis für die nachhaltige Waldbewirtschaftung, die heute noch gilt und auch in der aktuellen Waldpolitik des Bundes festgehalten ist. Der Grund für die Einführung dieses Gesetzes lag in den Problemen, die ein planloser Raubbau mit sich brachte: Durch verminderte Waldbestände kam es vermehrt zu Erdrutschen, Überschwemmungen und Lawinenniedergängen. Solche Naturgefahren können stabile und gepflegte Wälder zu einem Grossteil verhindern. Die Wurzeln von Weisstannen beispielsweise reichen sehr tief und sorgen so für Stabilität, auch wenn andere Bäume um sie herum umgestürzt sind.

Waldnutzung mit natürlicher Verjüngung

Wälder leisten aber viel mehr. Sie geben uns nicht nur Holz und schützen uns vor verschiedenen Gefahren, sondern bieten Platz für Erholung, speichern CO2 und reinigen Trinkwasser. Damit die Wälder diese Leistungen auch morgen noch erbringen können, werden sie möglichst naturnah genutzt. So wird höchstens so viel Holz geerntet, wie nachwächst: Rund 4,5 Mio. m3 sind es jährlich, bis zu 8 Mio. m3 wären möglich. Bei der Bewirtschaftung wird grösstenteils auf eine natürliche Verjüngung der Wälder gesetzt. Heute gilt dies für 80% der Waldflächen. Lücken durch gefällte Bäume werden bei der natürlichen Verjüngung nicht sofort mit Jungbäumen bepflanzt, sondern sich selbst überlassen. Dadurch siedeln sich auf natürliche Weise Bäume und weitere Pflanzen an. Diese sind wirklich optimal an die Bedingungen vor Ort angepasst und können entsprechend gut wachsen. Hilfe bieten hier unter anderem Eichhörnchen, die Nahrungslager mit Nüssen und anderen Samen anlegen, sie aber immer wieder vergessen – das Ergebnis sind neue Bäume.

Waldbewirtschaftung und Holzverkauf

Jeder Wald in der Schweiz hat einen Eigentümer. 71 % der Schweizer Wälder sind im Eigentum der öffentlichen Hand, 29 % der Wälder gehören privaten Eigentümern. Die naturnahe Bewirtschaftung ist für sie mit sehr viel Aufwand verbunden. Statt künstliche Wälder aus nur einer Baumart anzupflanzen und mit verhältnismässig wenig Aufwand Holz zu ernten, werden zunehmend vielseitige, naturnahe Wälder gepflegt. Bei der Holzernte wird darauf geachtet, dass Wälder trotzdem in ihrer bisherigen Form erhalten bleiben: mit vielfältigen Pflanzen, Bäumen in unterschiedlichem Alter und auch einem Anteil Totholz. Wird beispielsweise etwas Holz liegen gelassen, hat das nichts mit einer nachlässigen Arbeitsweise zu tun. Im Gegenteil geht es darum, die Bedürfnisse verschiedenster Waldbewohner zu berücksichtigen und die Natur zu respektieren. Der Erlös aus dem Verkauf des Holzes soll die Kosten für die naturnahe Bewirtschaftung decken. Da diese aber sehr kostspielig ist und Holzpreise sehr tief sind, reichen die Einkünfte aus dem Holzverkauf oft nicht aus. Viele Forstbetriebe schreiben darum rote Zahlen. Trotzdem lohnt sich die naturnahe Waldbewirtschaftung. Durch robuste, vielseitige Wälder profitiert die ganze Bevölkerung. Darum macht es auch Sinn, dass der Bund teils Unterstützung bietet.

Während in Appenzell Ausserrhoden und Luzern die meisten Wälder in privatem Besitz sind, gehören sie in Obwalden, Graubünden und Wallis meist der öffentlichen Hand. (Quelle: Schweizerische Forststatistik)

Möglichst wenig Störungen durch Waldbewirtschaftung

Eine naturnahe Waldnutzung bedeutet auch Rücksichtnahme: Wenn Waldeigentümer, Försterinnen und Förster im Wald arbeiten, achten sie unter anderem darauf, den Waldboden durch Fahrzeuge möglichst wenig zu belasten. Dies nützt dem unterirdischen Leben wie auch den Waldbewirtschaftern selber. Sind Böden zu stark verdichtet, leiden nicht nur Lebewesen, es wachsen auch keine Bäume und Sträucher mehr. Daneben achten Waldeigentümer und Förster auch darauf, dass Störungen der Waldbewohner durch die Waldbewirtschaftung möglichst gering sind; insbesondere während Tiere brüten bzw. ihren Nachwuchs zur Welt bringen. Dies hat einen wichtigen Grund. Viele Tiere reagieren empfindlich auf Stress durch Menschen. Das Auerhuhn etwa kann einen Lebensraum für immer verlassen, wenn es keine geschützten Rückzugsorte ohne Störungen durch Menschen hat.

Manche Waldbewohner reagieren extrem empfindlich auf Störungen durch Menschen. Dazu gehört das Auerhuhn, das seinen Lebensraum verlässt, wenn es zu stark durch Menschen gestört wird. (Quelle: Gettyimages)

Vorbildliche Waldbewirtschaftung

Im internationalen Vergleich hat die Schweiz sehr strenge Regeln für die Bewirtschaftung der Wälder. Zum Beispiel darf im Schweizer Wald kein Dünger verwendet werden. Entsprechend viel Wert wird auch auf die Ausbildung des Schweizer Forstpersonals und der Waldbewirtschafter gelegt. Sie alle verfügen über vertiefte Kenntnisse in den Bereichen Natur, Umwelt und Nachhaltigkeit – theoretisch und auch praktisch. Wissen aufzubauen und aktuell zu halten, ist mit viel zeitlichem und finanziellem Aufwand verbunden. Dank ihrem grossem Know-how bewirtschaften das Forstpersonal und die Waldbesitzer ihre Wälder sorgfältig und angepasst auf den jeweiligen Standort. Diese naturnahe Bewirtschaftung kommt in den meisten Fällen auch der Biodiversität zu Gute.

Schutzwälder bewirtschaften

Schutzwälder nehmen eine besondere Rolle ein. Sie sollen Menschen, Güter und Infrastrukturen vor Naturgefahren schützen. Diese können sie entweder ganz verhindern oder zumindest abschwächen. Damit ein Wald als Schutzwald eingeteilt wird, braucht es in unmittelbarer Nähe ein konkretes Gefahrenpotenzial und ein Schadenspotenzial, beispielsweise eine instabile Felswand direkt bei einer Siedlung oder einer Strasse. Die Hälfte der Wälder in der Schweiz sind Schutzwälder, mit unterschiedlich grossen Anteilen je Kanton. Auch ihre Bewirtschaftung erfolgt naturnah. Sie dient aber primär dem Ziel, die Wälder zu stärken, damit sie optimal schützen können. Da viele Schutzwälder jedoch schwer erreichbar sind, bedeutet ihre Pflege umso mehr Arbeit.

Die Hälfte der Schweizer Wälder haben eine Schutzwirkung. Damit ein Wald als Schutzwald gilt, muss er in unmittelbarer Nähe eines Gefahrenpotenzials (Naturgefahren) wachsen und ein Schadenspotenzial (Häuser, Infrastruktur) vor diesen Gefahren schützen. (Quelle: DACHCOM)

Bund unterstützt naturnahe Bewirtschaftung

Eine naturnahe Waldbewirtschaftung, welche die Bedürfnisse der Natur ebenso berücksichtigt wie die des Menschen, verursacht hohe Kosten. Damit diese zumindest teilweise gedeckt werden können, bietet das Bundesamt für Umwelt finanzielle Unterstützung. 2018 beliefen sich die Beiträge für Leistungen im Wald auf rund 160 Mio. Franken. 21 Mio. Franken wurden im Rahmen des Programms Waldbewirtschaftung geleistet. Dabei wurde das Geld unter anderem für die Jugendwaldpflege und die praktische Ausbildung eingesetzt. Massnahmen in der Jugendwaldpflege betrafen vor allem den naturnahen, auf die Klimaveränderung ausgerichteten Waldbau. 19 Mio. Franken wurden im Rahmen des Programms Waldbiodiversität ausbezahlt. Dieses setzt Schwerpunkte auf Reservate und die Aufwertung von wertvollen Lebensräumen wie Waldrändern, lichten Wäldern und feuchten Standorten. Am meisten investiert wurde in das Programm Schutzwald: Mit 70 Mio. Franken wurden der Erhalt und die Verbesserung der Schutzfunktion von Wäldern unterstützt. Im Verhältnis zur Schutzwirkung, die auf 4 Mia. Franken pro Jahr geschätzt wird, ist dies bloss ein kleiner Betrag.